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Interviews

  • WIR SIND HELDEN

Interview für das 0381-Magazin mit Judith Holofernes im Februar 2011

Bereits Ende Januar 2011 haben WIR SIND HELDEN ein Best-Of-Album released: „Tausend wirre Worte – Lieblingslieder 2002-2010“. Es versteht sich als Schnittmenge der Favoriten von Fans und Band, 19 Songs, die die musikalische und persönliche Entwicklung der Band nachzeichnen, nicht chronologisch, sondern stimmungsmäßig sortiert. Viele von diesen aber natürlich auch andere von ihrem aktuellen Album „Bring mich nach Hause“ erwarten uns am 20. März im M.A.U. Club. Vorab durfte euer Lieblings-Magazin mit Frontfrau Judith telefonieren und ihr einige Anekdoten vom Songschreiben über den Frauentag bis hin zu Erinnerungen an Rostock entlocken.

0381-MAGAZIN: Wobei stören wir dich gerade?

Judith: Ich habe heute frei und habe mir ein paar Interviews auf diesen Tag gelegt, also eigentlich ist es ein schöner Tag.

0381-MAGAZIN: Wie ist das bei Interviewanfragen, teilt ihr die auf in der Band?

Judith: Also es ist schon so, dass wir immer versuchen, das aufzuteilen. Ich muss das nicht alles alleine abreißen.

0381-MAGAZIN: Bodo Wartke hat mit dir zusammen in einem Workshop seinen und du euren Denkmal-Song geschrieben.

Judith: Oh ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. Bodo und ich haben schon mehrere Workshops zusammen gemacht. Das Lied war im Grunde eine Art Hausaufgabe. „Einen Song zu einem Denkmal zu machen, wie denkbar unsexy“, dachte ich damals. Eigentlich konnte aus meiner Erwartungshaltung heraus nur ein sehr betuliches und beschauliches Stück Musik heraus kommen. Bei einem Spaziergang hatte ich dann ziemlich schnell diese Idee von einer versteinerten Beziehung. Heute ist das Lied eigentlich ein gutes Beispiel dafür, dass die schönsten Songs aus etwas entstehen können, was im Grunde Quatsch ist. Der Song „Us“ von der von mir sehr geschätzten Regina Spektor beginnt übrigens mit „They made a statue of us and put it on a mountain top“.

Ähnlich ist es übrigens mit „Wolfgang und Brigitte” vom neuen Album. Das Thema stammt eigentlich von Pola. Der meinte: „Mach mal was dazu.“ Das fand ich auch erst doof und dann ging das Schreiben auf einer Autofahrt irgendwie ganz fix.

0381-MAGAZIN: Wenn man deutsch singt, dann kann das auch ganz schnell gefährlich sein. Eine Band hier aus Rostock erzählte mir kürzlich, sie hätten ein PUR-O-Meter, welches ausschlägt, wenn etwas zu seicht, plakativ oder schlagermäßig wird.

Judith: (lacht) Das ist ein guter Ausdruck. Also beim Schreiben habe ich einen ziemlich guten Filter. Ich bilde mir das jedenfalls ein. Der lässt eigentlich nichts durch, was sich irgendwie komisch anfühlt. Ich habe übrigens beim Schreiben auch immer schon eher das Gefühl, ich würde mir selbst bereits zuhören. Dadurch kommt, glaube ich, nichts Schreckliches heraus. Grundsätzlich bin ich aber ziemlich froh, dass nicht mehr jede neue Band auf Deutsch singen muss, denn man versteht ja dann leider auch alles. Und oft ist es besser, wenn sich der gnädige Mantel des Englischen über die pubertäre Sprache und die Liebesexkurse der Bands legt.

0381-MAGAZIN: Hat der Internationale Weltfrauentag am 8. März für dich eine Bedeutung?

Judith: Also den Tag habe ich nicht richtig auf dem Schirm, wenn ich ehrlich bin. Natürlich muss ich zugeben, dass die Frauenbewegung in den letzten Jahrzehnten viel gerissen hat. Wenn man mal überlegt, dass meine Mutter im Restaurant noch alleine irgendwo platziert wurde, so dass sie niemand sieht – allein beim Essen – dann ist das schon echt gut, wie weit wir heute sind. Solche Gedenktage sind also insofern sinnvoll, als dass sie verdeutlichen, dass es nicht immer um die Probleme der anderen geht. Man darf sich ruhig selbst mal fragen, wie emanzipiert man eigentlich wirklich ist. Wenn es hart auf hart kommt, dann sind viele Frauen nämlich gar nicht so weit, wie sie sich das vorstellen. „Arbeit“ und/oder „Kinder“ bekommen dann plötzlich ganz dicke Mauern um sich herum, hinter denen dann genau die Frauen hocken, die es selbst nicht für möglich gehalten haben.

0381-Magazin: Kochst du gern für euch zuhause?

Judith: Ich habe mal sehr gern gekocht, aber das ist wirklich eine der Sachen, die mit so einem komischen Beruf nicht mehr richtig funktionieren. Es gibt so wenig Regelmäßigkeit, wenn man alle vier Tage woanders ist. Um gut zu kochen, muss man aber regelmäßig einkaufen, einen Überblick über alles Frische und Gammelige behalten und echtes „Haushalts-Micro-Timing“ besitzen. Auf Tour wird man zudem ständig gut bekocht. Das ist eine ganz schöne Umstellung, wenn eigentlich immer Essen herum steht.

0381-MAGAZIN: Was verbindet ihr mit Rostock?

Judith: Sehr deutlich sind mir noch die G8-Gipfel-Bilder in Erinnerung. Wir waren damals mit Klein-Friedrich in so einem Oma-Hotel direkt unten am Hafen untergebracht. Irgendwann bekamen wir mit, dass es ganz in der Nähe zeitgleich die ganze Aufruhr gab und wir eigentlich regelrecht eingekesselt waren. Mit einem acht Monate alten Baby ist das nur mittellustig. Die ganze Zeit fragten wir uns natürlich, ob wir da jetzt spielen sollten und wie das sein würde. Dann wurden wir auch noch mit einem Boot über die Warnow zum Hafen geshuttlet, weil man da nicht mehr durch kam. Aber letztlich war das ein total tolles Konzert, weil man richtig gemerkt hat, dass die Menschen, die einfach nur friedlich demonstrieren wollten, extrem erleichtert über eine musikalische Abwechslung waren.

0381-MAGAZIN: Wer macht in eurer Familie den tendenziell unbeliebtesten Job und räumt das Kinderzimmer auf?

Judith: Bei uns ist, glaube ich, noch viel unbeliebter, dass jemand nachts aufstehen muss. Wir haben ja immer noch ein Kind, welches nachts dreimal aufwacht. Man ertappt sich dabei, dass man dann sogar mit dem Anderen wettrüstet. Nach dem Motto: „Du bist zwar müde, das bin ich auch – aber ich habe außerdem noch Kopfschmerzen. Steh du also bitte auf.“ Pola und ich verhandeln richtig, aber das ist sicher normal. Die Zimmer räume tatsächlich ich auf und das eigentlich auch ganz gern.

0381-MAGAZIN: Was ist eigentlich am schwersten in eurem Beruf?

Judith: Es ist schon nicht ganz einfach, so lange mit der Musik spazieren zu gehen. Songs schreiben ist für mich zum Beispiel unheimlich befriedigend. Ich kann es oft einfach auch nicht besser sagen, als ich es mit dem jeweiligen Song tue. Aber „über Musik reden“ ist immer eher schwierig für mich. Und selbst wenn es Spaß macht, die eigenen Songs zu spielen, so bekommen die Lieder als Element live eher selten Wahrheit. Wenn wir im Studio sind, dann mag es zwischendurch auch mal kompliziert sein, aber grundsätzlich ist es ein toller Prozess. Die Entstehung von „Bring mich nach Hause“ waren für mich bisher übrigens die tollsten drei Monate unserer Bandgeschichte.

0381-MAGAZIN: Es gibt eine Radiosendung, die heißt „Was ist Musik?“ Wie würdest du das beantworten?

Judith: Gute Frage. Also für mich ist Sprache an sich schon etwas, das mir hilft, Gefühle durch die Gegend zu transportieren und Orte zu erforschen, die man sonst vielleicht meidet oder gar nicht erreichen kann. Wenn aber noch Musik hinzu kommt und sich mit dieser Sprache verbindet, dann wird es zusammen größer als ich selbst.

0381-MAGAZIN: Werdet ihr live auch Gastmusiker auf der Bühne haben oder war das nur fürs Studio und das letzte Album so?

Judith: Auf jeden Fall ist Jörg Holdinghausen [Bassist von „Tele“ und Musiker in Polas Band „Per Anders“, Anm.d.Red.] auch live am Bass dabei. Außerdem steht Ruben Scheffler an den Keyboards. Das wird wieder ein großer Spaß für uns, denn wir haben die Hände frei, all‘ die neuen Instrumente von der Platte auch live auszuprobieren, also ein Akkordeon, ein Banjo, eine Ukulele. Es fühlt sich für uns ein bisschen so an, als ob da eine ganz neue Band auf der Bühne steht.

Gesine Schuer

  • JAMES YUILL

Interview für das 0381-Magazin im Dezember 2010

Am 29. Januar findet erneut die Lohro Klubnacht statt und euer 0381-Magazin hat sich im Vorfeld schon einmal mit einem Live-Act zum Bier getroffen: JAMES YUILL. Er hat sich nicht nur an Madonnas „Frozen“ heran getraut und gecovert, sondern durfte kürzlich auch einen Jingle für die Guinness-Brauerei machen. Vielen wird noch „No pins allowed“ im Ohr sein, aber auch die Nachfolger, z.B. „On your own“ trumpfen u.a. mit großartigen Videos auf, wie ihr unten sehen könnt.

0381-Magazin: Würdest du dir manchmal mehr als zwei Hände auf der Bühne wünschen?

James: Ja, ich wünschte in der Tat manchmal, dass ich keine Gitarre spielen müsste. Was mir live wirklich Spaß macht, ist, an all den ganzen Knöpfen zu drehen.

0381-Magazin: Besteht eigentlich die Möglichkeit, dass James Yuill mal mit Band auftritt, wenigstens für einige Shows? Und fühlst du dich nicht manchmal auch allein da oben?

James: Ich habe schon mal darüber nachgedacht aber in der nächsten Zeit wird es wohl einfach nur bei mir bleiben. Wenn andere dazu kämen, dann vielleicht für ein anderes Projekt. Es ist auch irgendwie ein Teil des Charmes meiner Live-Shows, dass ich ausschließlich alles selbst mache.

0381-Magazin: Musst du jetzt eigentlich immer “Oh my Guinness!” rufen, wenn du überrascht oder erstaunt bist?

James: [Ha ha … genius! Oops … I mean guinness! Um…] Nein. Ich kann mich aber gar nicht erinnern, dass man mich jemals etwas anderes trinken sah. Das ist natürlich auch gar kein Problem für mich. Seitdem ich trinken durfte habe ich sowieso immer Guinness am besten gefunden und ich schreibe es sogar immer auf meinen Rider. Es sprudelt nicht so viel wie anderes Bier und beim Singen auf der Bühne ist das dann ganz gut.

0381-Magazin: Einer deiner Follower fragte kürzlich, ob du mit lebenslangem Frei-Guinness bezahlt wurdest. Wurdest du?

James: Ich wünschte das wäre so. Aber auf jeden Fall bekomme ich ein paar Kästen zum Zeichen des Wohlwollens.

0381-Magazin: Gibt es eigentlich viele James-Typen im Vereinigten Königreich? Als ich dort lebte, sah ich kaum jemanden mit einem Laptop auf der Bühne aber dafür hunderte Jungs mit Gitarren, die auf dem Campus der blabla-University spielten. Werden Beats wichtiger?

James: Es gibt noch immer eine große Singer-Songwriter-Szene – deren Teil ich selbst für viele Jahre war. Aber es zerstört deine Seele, wenn du Nacht für Nacht vor so gut wie niemandem spielst. Es gibt mittlerweile wirklich mehr Laptop-Musiker. Die Geburt der billigen Musik-Software hat viele von uns „bedroom producers“ hervorgebracht.

0381-Magazin: Wie findest du John Cages 4’33“?

James: Das ist wirklich Kunst. Wie bei vielen experimentellen Stücken, ganz gleich ob Dinge oder Musik, ist der erste und ursprüngliche Gedanke das Wichtigste. Nicht das Kunstwerk an sich ist entscheidend. Das ist wie in der modernen Kunst. Man sagt dann immer gern: „Das kann doch jeder”, aber der Punkt ist eben: Sie haben es nicht gemacht! Damien Hurst hat es z.B. gemacht und deswegen ist er so gut. Das gleiche gilt für John Cage. Okay, genau betrachtet ist es Stille, aber es war seine Idee. Man darf generell auch etwas Achtung vor jemandem haben, der etwas zuerst tut.

0381-Magazin: Bemerkst du eigentlich selbst diese warme und melancholische Atmosphäre deiner Songs; vor allem hervorgerufen durch deine Stimme? Willst du das absichtlich so oder passiert es einfach?

James: Das ist keine Absicht. Selbst wenn ich es versuche und irgendwelche Upbeat-Nummern schreibe, werden sie immer „bitter sweet“. Ich habe glaube ich noch nie einen positiven Song geschrieben. „This sweet love“ z.B. ist ein trauriger Rückblick auf eine glückliche Beziehung, die zuende gegangen ist. Es gibt darin sogar eine Anspielung auf Selbstmord (‚walk out in the sea with me‘). Ich habe versucht, aus  „Crying for Hollywood“ eine Upbeat-Nummer zu machen und denke, dass mir das musikalisch gelungen ist – aber natürlich reiße ich es mit den Worten sofort wieder ein.

0381-Magazin: Was machst du in 10 Jahren?

James: Hoffentlich schreibe ich dann immer noch Songs. Ich würde auch gern andere Bands produzieren, aber hauptsächlich sehe ich mich als Songwriter.

0381-Magazin: Du bist schon ein paar Mal in Deutschland aufgetreten. Wie war das und was hat dich bei deinen Reisen und Auftritten in Indonesien am meisten beeindruckt?

James: Ich mag Deutschland, weil die Leute immer so richtig gut zuhören. Musikalisch fühlt es sich wie mein Zuhause an. In Indonesien war es echt aufregend und spannend. Ich habe The Tamper Trap supportet und bin nach dem Auftritt vor die Bühne gegangen, um mir das Konzert anzusehen. Und dann war ich in dieser Ferne plötzlich umringt von Leuten, die Autogramme und Fotos wollten. Das hat mir sehr gefallen. Selbst in Argentinien und Chile gab es solche Reaktionen. Das ist schon irgendwie unbeschreiblich, wenn man vor 3500 Leute tritt und die mitsingen, obwohl man vorher noch nie in seinem Leben in diesem Land gewesen ist.

Das Interview wurde auf Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt.

Gesine Schuer

  • JENS FRIEBE

Interview für das 0381-Magazin im November 2010

„Nenn mich Familienhund, ich suche Kekse“

0381-MAGAZIN: Wenn du meiner Mutter (müsste in etwa so alt sein wie deine) erklären solltest, was du für Musik machst, was würdest du ihr dann erzählen?

Jens: Popmusik mit deutschen Texten. Sage ich immer, egal ob Mutter oder Tochter fragt.

0381-MAGAZIN: Dein neues Album enthält eine süße Liebeserklärung. Es heißt dort „Baby, be mine. Baby, sei mein plus eins.“ Bei wem wärst du denn gerne mal „plus eins“ und warum?

Jens: Bei wem? Wo? Oh je. Ich weiß gar nicht. Weiß ich wirklich nicht. Sorry.

0381-MAGAZIN: Familienintern gab es einmal eine Kinderlaterne in Form eines Hundes. Sie war unglaublich häßlich, dennoch sangen wir gern in Anlehnung an einen Song von dir „… nenn mich Laternenhund, ich spende Licht“. Sind dir solche praktischen Auslegungen deiner Texte suspekt oder kannst du dich darüber amüsieren?

Jens: Profanisierende Liedtextumdichtungen sind sehr beliebt bei meinen Bandkollegen. „Nenn mich Familienhund, ich suche Kekse“ war glaube ich auch eine. Als ich mich selber an dem Spiel beteiligen wollte, wurde mir das von Chris aber als für den Originalautor ungebührlich verboten.  Das fand ich etwas gemein, habe es aber auch verstanden.

0381-MAGAZIN: Fans stehen traditionell immer „auf die alten Sachen“, Künstler rühmen sich hingegen damit, gerade „ihr bestes Album rausgebracht zu haben“. Magst du irgendwelche Songs besonders und sind das auch die, die deine Fans besonders mögen?

Jens: Mein Geschmack trifft sich mit dem meiner Fans in Fällen wie „Gespenster“, „Abend voller Glück“ oder „Das mit dem Auto ist egal…“.  Lieder wie „Still“ oder „Was es will“ mag ich, glaube ich, lieber als die Fans im Schnitt, während es bei „Lawinenhund“ oder „Bring mich zum Wagen“ tendenziell andersrum  ist.

0381-MAGAZIN: Du selbst machst musikalisch auf dem neuen Album nun mehr in Klavier. Was wird denn auf der Bühne im Rostocker M.A.U.-Club passieren?

Jens: Mehr Klavier. Allerdings leider ein elektrisches, weil wir die Möbelpacker dann doch nicht mit auf Tour nehmen wollten. Und Julie bedient bei einigen Liedern einen kleinen Sampler. Aber keine Angst. Wir spielen „auch alte Sachen“.

0381-MAGAZIN: Die wichtigste Frage kommt immer zum Schluss. Was gab es bei dir gestern zum Abendbrot?

Jens: Feigen und Mandeln. Und Pizza.

Gesine Schuer